Fotografischer Impressionismus

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Meine anhaltend spannende Abenteuerreise in die Unwägbarkeit langer Belichtungszeiten begann mit der Durchforstung meines Archivs. Ich entdeckte ein Foto, das ich vor Jahren im Untergrund einer U-Bahnstation aufgenommen hatte. Es war entstanden, weil ich herausfinden wollte, in wie weit ich mich auf die Bildstabilisation meiner Kamera verlassen konnte. Das Foto zeigte nur mittelbar, was sich vor der Kameralinse abgespielt haben mochte. Dennoch stellte sich mir spontan die Frage: Kann das weg? Oder ist das Kunst?

Weg vom Fotorealismus?

Um einmal abseits der ausgetretenen Pfade des Fotorealismus zu wandern, begann ich mich daraufhin ernsthaft mit der Motion-Blur-Fotografie auseinanderzusetzen. Angesichts der Tatsache, dass uns die moderne Kameratechnik hilft, Verwackelungen zu vermeiden, und erlaubt, mit Belichtungszeiten von bis zu 1/8000 Sekunde jedwede Bewegung zuverlässig einzufrieren, erscheint es erst einmal abwegig, genau darauf zu verzichten und den entgegengesetzten Weg einzuschlagen.

U-Bahnhof Langzeitbelichtung
2011 / U-Bahnhof / 0,3 Sek. belichtet mit einer Canon Powershot G10

Erste Experimente

Bevor ich zur 5D Mark II mit Vollformatsensor griff, experimentierte ich mit meiner Canon G1X, die für diese Art von Fotografie gegenüber der Spiegelreflexkamera den Vorteil des optischen Suchers bietet. Ich fand heraus, dass trotz des Weglassens eines Statives – unter bestimmten Bedingungen wohlgemerkt – auch bei Belichtungszeiten um etwa 1 Sekunde mehr herauskommen kann, als einfach nur verwackelte Fotos.

Impressionistisch, surreal, abstrakt

Fachgerecht nachbehandelt ergeben sich Bilder, die je nach Verfremdungsgrad impressionistisch bis surreal abstrakt wirken, weil sich der dem Medium anhaftende Realismus in einer Reihe scheinbar unregelmäßig aneinanderfolgenden Mehrfachbelichtungen auflöst. Beim Mitziehen der Kamera mit agierenden Motiven treten bisweilen schwer zu kontrollierende Unwägbarkeiten auf, wodurch sich manche Bildelemente deutlicher abbilden als andere. Das ist der springende Punkt. Zusätzlich gleicht schon allein deswegen keine Aufnahme einer anderen exakt, so wie man das von Serien normal belichteter Fotos gewohnt ist

Kunstrichtung Slow Speed

Dass gekonnt bewegungsunscharfe Fotos keineswegs minderwertige Aufnahmen darstellen, sondern vielmehr einer eigenen Kunstrichtung zuzuordnen sind, beweist der spanische Formel-1-Fotograf Miquel Liso in einem speziellen Bereich seines Portfolios, den er Slow Speed nennt.

Das bewegte Leben darstellen

Doch tatsächlich ist es weniger die Geschwindigkeit als viel mehr das bewegte Leben an sich, das sich mit dieser Art von Fotografie ganz besonders eindrucksvoll einfangen lässt. Dabei fällt auf, wie oft bei all dem, was sich im Verwackelten optisch auflöst, Logos und Beschriftungen leidlich erhalten bleiben. Ein Aspekt, mit dem sich Slow Speed wider erwarten für die Werbung empfielt.

Fotografisch elementar

Lange Belichtungszeiten sind selbstverständlich nichts Neues. Sie sind elementarer Bestandteil der frühen Fotografie, die ja zunächst untrennbar mit der Benutzung eines Stativs verbunden war. Auch wenn es unzählige Fotografen immer wieder taten, mich eingeschlossen, bremste der träge und kostspielige Weg des analogen Entwicklungsprozesses ganz sicher den Spaß am unbeschwerten Experimentieren. Die Frage ist ja immer, für welches Motiv, Anlass oder Situation passt welche Belichtungszeit besser als eine andere? Da Digitalkameras sofort nach der Aufnahme zeigen, wie sich das Motiv abgebildet hat, ist die Lernkurve, solche Aufnahmen gelingen zu lassen, ungleich steiler als früher. Verwertbare Bilder entstehen dennoch erst durch zielgerichtete Bildbearbeitung, also Fotodesign.

Der Bogen zum Impressionismus

Die Motion-Blur-Fotografie versucht entweder mit dem sich im Raum bewegenden Motiv mitzugehen oder aber dessen Bewegung aus einer statischen Position zu erfassen, um dessen Agilität im Vergleich zur Umgebung zu betonen. Sie unterscheidet sich hauptsächlich durch ihren Anspruch, das Motiv oder den zu dokumentierenden Vorgang annähernd scharf abzubilden, oder darüber hinaus zu gehen, und die Zufälligkeiten und prinzipbedingten Bewegungsunschärfen, die noch wesentlich längere Belichtungszeiten einbringen, in künstlerischer Weise auszuwerten. Das führt weg vom Realismus, bis hin zu totaler Abstraktion. Personen und Gegenstände sind nicht mehr so eindeutig identifizierbar. Je nach Anspruch bleibt aber erkennbar, in welcher Weise oder Mission sie sich durch den Raum bewegen. Das Foto beginnt malerisch zu werden und entführt damit den Betrachter aus der Realität, womit meines Erachtens der Bogen zum Impressionismus vollzogen wäre. Die impressionistische Malerei ordnet den Realismus der auszudrückenden Stimmung unter. Fotografie kann das auch, allerdings ohne dabei statisch sein zu können.

Tätigkeiten darstellen

Bewegungsunschärfe lebt davon, dass sich etwas tut oder getan wird. Das passt gut in unsere hektische Zeit. Wir treiben Sport, gehen einkaufen, schneiden jemandem die Haare, bauen, reparieren, bedienen Bagger oder Gabelstapler, wechseln Reifen, hacken Holz, waschen den Wagen. All das lässt sich fotografisch auf das Wesentlichste abstrahieren: Auf die vollzogene Tätigkeit nämlich, und, falls das gewünscht wird, das Logo des Produkts, aufgrund dessen die Tätigkeit erfolgreich ausgeführt werden kann.

Interesse?

Aus der Nähe betrachtet ähneln meine Ergebnisse eher Illustrationen als Fotografien. Der Übergang ist fließend. Viele Ergebnisse meiner Exkursionen sind nun lizenzierbar. Gehen Sie dazu ins Bildarchiv kleinert.de. Unter den Anbietern finden Sie Fotos von Matthias Töpfer und Illustrationen von Matthias Töpfer. Die Stichworte slowspeed, motionblur oder Bewegungsunschärfe listen Arbeiten, die zu diesem Artikel passen.

Selbstverständlich freue ich mich über alle Interessenten, die mich für derartige Aufgaben dediziert buchen möchten.

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