1985 in den Straßen von London

1985: Abendstimmung in einer Londoner Straße. Aufgenommen mit einer Contax SLR auf Ilford FP4

Als ich die hier gezeigten Aufnahmen machte, kannte ich den Begriff Street Photography noch gar nicht. Aber ich wusste, was das ist. Bilder von Henri Cartier Bresson im Kopf sah ich mich in London um und versuchte, es ihm gleich zu tun. Wie zu erwarten war, kam etwas ganz Anderes dabei heraus.

Es hat sehr viel Spaß gemacht die Bilder aufzunehmen und mindestens ebenso viel sie nach bald 34 Jahren auf eine Bildqualität zu bringen, die neben digitalen Aufnahmen zumindest aus künstlerischer Sicht bestehen kann.

Ein Firmenausflug

Das Arbeitsklima bei electronic advertising, der ehemaligen Werbeagentur von Peter Dorn, in der ich 1985 freiberuflich als Art Director mitarbeitete, habe ich als kollegial und freundschaftlich in Erinnerung. Um den Zusammenhalt seines kleinen Teams noch weiter zu vertiefen, lud uns der Inhaber damals auf ein langes Wochenende nach London ein. Ich teilte mir mit einem von mir sehr geschätzten, inzwischen leider verstorbenen Kollegen ein Hotelzimmer. Offenbar hatte er ähnlich viel Spaß am Fotografieren gehabt wie ich, denn wir waren an beiden Tagen im lockeren Verbund Stunde um Stunde durch die Straßen gezogen, ohne der unfassbar vielen Motive, die London damals für uns zu bieten hatte, müde zu werden.

1985 in den Straßen von London
Die Crew von electronic advertising auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel

2 Contax SLR im Einsatz

Immerhin schickte ich durch meine beiden Contax Kameragehäuse, die ich damals einschließlich vier Carl Zeiss Objektiven mit mir schleppte, insgesamt 15 Schwarzweißfilme sowie 2 Diafilme. Das entspricht rund 650 Digitalaufnahmen, die in der Auflösung meiner EOS 5M (6000×4000 Pixeln), mit der ich sie inzwischen reproduziert habe, ein Datenvolumen von 18 GB ergeben.

Die gezeigten Schwarzweißfotos, sind auf Illford FP4 und HP5 entstanden. Für die weitaus meisten Aufnahmen benutzte ich das Planar F/1.4 85mm, sowie das Distagon F/2.8 28mm. Das Tele-Tessar F/3.5 200mm und das Planar F/1.4 50mm kamen sicher auch zum Einsatz.

An analogen Aufnahmen vermisse ich am Meisten die Metadaten, die moderne Kameras in die Digitalfotos schreiben. So viele Jahre später kann man zwar noch abschätzen, ob ein Foto mit Weitwinkel- oder Teleobjektiv aufgenommen wurde, welche Brennweiten es genau waren, welche Belichtungszeiten benutzt wurden, ist fast nicht möglich. Ich hätte es mir wohl damals gleich vor Ort notieren und die Infos aufheben müssen. 😉

Streetfotos aus den Londoner Parks

Perfekte Luftperspektive

Den Reiz, den die Fotos auf mich ausüben, beziehen sie aus der für England typischen Architektur, der beschriftenden Typografie im Straßenbild, der perfekten Luftperspektive, die ich außer in England selten so intensiv erlebt habe, und der morbiden Schönheit des urbanen Londoner Lebens, so, wie es sich mit seinem britischen Charme und den nicht zu übersehenden Abgründen damals vor meiner Kamera abgespielt hatte.

Fotowanderung durch die Straßen von London

Historische Aufnahmen frisch digitalisiert

Das Material lag 34 Jahre archiviert in Cellophanhüllen eines Aktenordners. Als ich die digitalisierten Ergebnisse dann auf meinem 5K-Monitor sah, war ich zunächst einmal stolz. Vor allem darauf, was alles und wie ich es damals fotografiert hatte.

Ich bin lange Zeit nicht in London gewesen, wage aber zu behaupten, dass meine Aufnahmen im Vergleich mit dem Anblick, den es den Touristen heute bietet, fast schon historisch wirken dürften. Man sieht den Bildern an, wie schnell sich das Rad der Zeit dreht.

Ist das allein nicht schon ein legitimes Argument, Straßenfotografie zu betreiben? Als als Kunstform meine ich. Und, als Möglichkeit den Betrachtern der Bilder eine Idee davon zu vermitteln, wie die Menschen zu einer bestimmten Zeit, am besuchten Ort gelebt haben, wie sie angezogen waren, welche Fahrzeuge sie benutzten, wie der optische Zustand der Stadt im allgemeinen war und welche sozialen Misstöne mitgeklungen haben dürften .

Blicke über die Dächer von London

Motivrausch

Ich erinnere mich nicht gut an Einzelheiten vergangener Tage, aber angesichts dieser Bilder kann ich den Motivrausch nacherleben, der mich damals erfasst haben muss. London ist bis heute ein Ort, wo es Straßenfotografen niemals langweilig wird.

Mavis CW beispielsweise, eine aktuell beachtete Künstlerin, bietet über ihre Website Fine Art Prints ihrer analog fotografierten Aufnahmen an. Sie beherrscht bereits die Kunst, Passanten so zu fotografieren, dass sie DSGVO-konform und somit gesichtslos erscheinen. Ich übe das noch.

Meine ersten Versuche bewegte Fahrzeuge mit langen Belichtungszeiten abzulichten (Slow Shutter Speed Photography)

1985 konnte man nur analog fotografieren 😉

Die Frage, was besser sei, analog oder digital zu fotografieren, stellte sich mir lange Zeit nicht. Schließlich ist die digitale Fotografie der analogen seit mehr als einem Jahrzehnt haushoch überlegen.

Andererseits: Je mehr ich mich damit wieder beschäftige und gelegentlich Filme belichte,  reproduziere und digital bearbeite, umso mehr reift das Gefühl in mir, dem analogen Foto könnte, zumindest auf künstlerischem Gebiet, wieder eine unerwartet hohe Bedeutung erwachsen.

Haltbarkeit im Archiv

Fotos wie die hier gezeigten und auch noch wesentlich ältere sind, vorausgesetzt sie waren sauber entwickelt, fixiert und sachgemäß archiviert, wenn man sie durch eine moderne digitale Dunkelkammer schickt, in ihrer Anmutung, Qualität und Auflösung bedeutend besser, als die Aufnahmen, die von meinen ersten Digitalkameras stammen. Und wer weiß schon, ob Filmmaterial nicht wesentlich längere Zeiträume überstehen könnte, als digitales?

Es mag einem abwegig erscheinen, dies als Argument für das wieder auferstandene Interesse am analogen Fotografieren heranzuziehen. Als eine Facette davon darf es wohl ebenso bestehen, wie die Tatsache, dass analoge Fotos zu schießen nicht bereits schon im ersten Akt als elektronische Datenerfassung zu werten ist.

Street photography um Londons Sehenswürdigkeiten

Selbstverständnis

Das Selbstverständnis, das mich damals getragen hat, im Straßenbild ungeniert wildfremde Menschen abzulichten, teilweise hautnah, wird inzwischen von der unangenehmen Gewissheit überlagert, damit Persönlichkeitsrechte zu verletzen.

Es ist durchaus nicht so, dass ich diese Rechte nicht verstehen und respektieren würde. Es gab sie schließlich auch schon vor der DSGVO. Aber im Gegensatz zu den Zeiten als anerkannte Künstler wie Henri Cartier Bresson und andere seines Schlages durch die Straßen gezogen sind, sieht man sich heute als Fotograf, der Straßenfotografie als Kunstform betreiben möchte, als jemand, der am Rand der Legalität agiert. Man hofft auf die Toleranz und das Wohlwollen derer, deren Gesichter man in sein Werk mit einbezogen und veröffentlicht hat.

1985 in den Straßen von London
1985 in den Straßen von London

Kunst hofft auf Toleranz

Wenn sich also jemand auf meinen Aufnahmen wiedererkennen sollte, ohne mit der Präsentation einverstanden zu sein, dann bitte ich sie oder ihn darum, Kontakt mit mir aufzunehmen. Selbstverständlich werde ich das entsprechende Abbild dann umgehend sowohl von meiner Website als auch aus meinem Archiv entfernen.

Aber vielleicht gefällt dieser Person ja auch, was sie sieht. Was mich freuen würde. Dann bekommt sie vom entsprechenden Sujet einen Abzug in A4 von mir. Gratis versteht sich.

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